Wien 1945

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Am 13. April 1945 enden in Wien die Kampfhandlungen, zwei Wochen später nehmen die ersten Kinos bereits wieder ihren Betrieb auf. Die Waffen schweigen, jetzt wird mit Filmen gekämpft: für die Demokratie, um die Herzen und Hirne der Wienerinnen und Wiener. Die vier Alliierten, allen voran die Sowjets, bringen mit Kunst und Eskapismus ein Stück ihrer jeweiligen Kultur auf die befreiten Leinwände der Stadt: darunter eine musikalische Komödie aus Moskau und verboten gefährliche Liebesgeschichten aus Großbritannien, eine mittelalterliche Allegorie auf den französischen Widerstand und zauberhafte Screwball-Comedys aus Hollywood. Ein Streifzug durchs Wiener Kinoprogramm nach dwem Krieg mit zwölf ausgewählten Filmen. (Michael Omasta)
Die Retrospektive findet in Zusammenarbeit mit SYNEMA – Gesellschaft für Film und Medien statt.
… und das Kino geht weiter
Der Krieg ist vorüber, Wien 1945 befreit, aber eine Ruinenlandschaft. Ganze Straßenzüge sind durch den Trümmerschutt der zerbombten Häuser unpassierbar, aus den zerstörten Fassaden ragen rostige Stahlträger heraus, öffentliche Verkehrsmittel fahren kaum noch, die Versorgung mit Wasser, Gas und Strom kann nicht mehr gewährleistet werden, von Lebensmitteln ganz zu schweigen. Hunger und Existenznot, die Folgen der durchlebten Katastrophe, beherrschen den Alltag.
Der Zusammenbruch hält als Neubeginn aber auch Chancen bereit, zumindest für die psychische Bewältigung der Krise durch Zerstreuung. Die Stadtregierung offeriert allerlei Angebote zur Ablenkung, wobei Kulturreferent Matejka besonders die Wiedereröffnung der Kinos vorantreibt, die, im Gegensatz zu den sonstigen seit Herbst 1944 geschlossenen Unterhaltungsbetrieben, durchgehend bis Ende März weitergespielt hatten. Am 6. April 1945 erreicht die Rote Armee das Stadtgebiet, acht Tage später ist Wien befreit. Bereits am 27. April findet im Apollo-Kino die erste Aufführung von Eisensteins IWAN DER SCHRECKLICHE statt; die tagesaktuelle Seite eins der Zeitung Neues Österreich zeigt eine Menschenschlange vor dem Eingang und titelt »Wien erwacht zu neuem Leben«. Schon Ende des Monats haben 40 Kinos wieder geöffnet, Mitte Juni hat sich die Zahl auf über 100 (!) erhöht, vom Ohne-Pause am Graben über das Flotten, Erika, Kosmos, Schubert und Kolosseum bis hin zur Scala und dem Sandleiten in Ottakring.
Anfang Mai erlassen die Alliierten Maßnahmen zur Neuordnung des Kinomarkts und zur filmkulturellen Kontrolle des Programms. Die ersten Wochenspielpläne zeigen eine gewagte Mischung aus Russenfilmen (WIR AUS KRONSTADT, 1936, Efim Dzigan), liberalem Hollywood-Kino (MISSION TO MOSCOW, 1943, Michael Curtiz), dem deutschen Vorkriegsmelodram REGINE mit Luise Ullrich und Adolf Wohlbrück und NS-Produktionen, etwa Veit Harlans IMMENSEE (1943) oder Willi Forsts WIENER BLUT (1942). Die Sowjets richten in der Hofburg einen Vorführsaal für Filme ein, während in den Kinos der amerikanischen Zone auf »Re-Education« gesetzt wird, mit deren Agenden emigrierte, als Kulturoffiziere in US-Uniform nach Österreich zurückgekehrte Theaterleute wie Ernst Lothar, Marcel Prawy und Ernst Häussermann betraut sind.
Das Kino bietet Erholung vom tristen Alltag. Danach lässt sich darüber reden, was zu sehen war, was einsichtig, was abzulehnen war. Aufarbeitung im wahrsten Sinne: Nicht nur der Ruinenlandschaften außen, auch derer im Innern. Neben vielem anderen, durch die Kraft des Kinos. (Brigitte Mayr)