Mohsin Shafi
Zwischen Schatten und Spotlight: Mohsin Shafi baut der Kunsthalle Krems einen queeren, südasiatischen „Dazwischen“-Kosmos – voller Sehnsucht, softer Rebellion und bildpoetischer Wucht.
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Zwischen Schatten und Spotlight: Mohsin Shafi baut der Kunsthalle Krems einen queeren, südasiatischen „Dazwischen“-Kosmos – voller Sehnsucht, softer Rebellion und bildpoetischer Wucht.
Mohsin Shafi (* 1982) ist ein in Pakistan lebender südasiatischer Kunstaktivist, der seine Arbeit auf postkoloniale und kulturelle Theorien stützt. Er beschäftigt sich intensiv mit der Idee des dritten Raums – ein Ort, der entsteht, wenn Kulturen, Wertesysteme oder Identitäten aufeinandertreffen.
Shafi untersucht verschiedene Aspekte der Identitätsbildung, wobei er einen besonderen Schwerpunkt auf Männlichkeit im Kontext Südasiens legt. Seine Praxis ist geprägt von seinen persönlichen Kämpfen beim Navigieren zwischen Kultur und queerer Ausdrucksweise.
Wir sprechen von Anfängen und Enden, aber selten von dieser geheimen Mitte, in der sich Werte verschieben, Perspektiven ins Wanken geraten und ein Mensch sich vom Schatten hin zu einem ehrlicheren Licht bewegt. Ich habe verstanden, dass dieser verborgene Übergang des dritten Raums alles ist … der Raum, in dem mein Herz wieder atmen gelernt hat.
Mohsin Shafi
„Malamatiyya“ (Die Zurechtgewiesenen)
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das neue experimentelle audiovisuelle Werk „Malamatiyya” (Die Zurechtgewiesenen). Die Arbeit ist eine verletzliche, intime und poetische Auseinandersetzung mit Sehnsucht und Zugehörigkeit zu einem sicheren dritten Raum. Sie verweist auf die Eliminierung indigener Volksliebesgeschichten von Bisexualität, dem Fortleben kolonialer Vermächtnisse in Südasien und der Politik des kulturellen Gedächtnisses durch westliche Theorien.
„Malamatiyya” ist eine monumentale Meditation über Queerness, Umsicht und die Feier des Lebens. Das Werk, das sich zwischen Autobiografie und Performance bewegt, konzentriert sich nicht nur auf die Poetik und Politik der persönlichen Identität, sondern würdigt und stimmt auch auf verborgene, unsichtbare Geschichten der Geschlechtsnonkonformität ein, die so vielfältig sind wie Südasien selbst.
Die Arbeit bezieht sich auf die unvergessliche Liebesgeschichte des ersten bedeutenden frühmodernen Punjabi-Sufi-Dichters des 16. Jahrhunderts, Shah Hussain. Er wurde aufgrund seiner Verbindung zu einem hinduistischen Brahmanen-Jungen bekannt. Ihre Beziehung überschritt gesellschaftliche Normen und religiöse Grenzen und symbolisiert Einheit und Liebe in Südasien.
Poetische Videoästhetik
Die Ausstellung „Between Two Worlds“ zeigt Shafis neueste Videoarbeiten sowie eine Auswahl von Videos aus den letzten fünfzehn Jahren. Zwei davon entstanden während seines Aufenthalts in Krems. Es handelt sich um radikal poetische, sehr persönliche Werke von großer Sensibilität und einer ästhetischen Sprache, die seinen kulturellen Hintergrund mit Methoden der internationalen zeitgenössischen Kunst verbinden. In eindringlich schönen Bildern, die an lyrische Traumsequenzen erinnern, beschäftigt er sich mit persönlichen Themen wie Ablehnung, Einsamkeit und der Sehnsucht nach Liebe und Gemeinschaft. Dabei handelt es sich um existenzielle Fragen, die weit über das rein Persönliche hinausgehen. Sie offenbaren auch die Strategien, mit denen der Künstler seine eigenen persönlichen Begegnungen verarbeitet.
Mohsin Shafi als Gastkünstler bei AIR
Von Dezember 2023 bis Januar 2024 war Shafi zu Gast in Krems bei AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich. Shafi nutzte seinen Aufenthalt in Krems, um an seinem Œuvre weiterzuarbeiten und befasste sich mit den Themen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung, die ihn stets begleiten. Als Mann mit dunkler Hautfarbe und Muslim waren seine Reisen nach Österreich auch von Komplikationen bei der Erlangung eines Visums, Unsicherheiten hinsichtlich seiner Ankunft für seine Ausstellung und stundenlangen Aufenthalten am Flughafen Wien geprägt.
Kurator: Andreas Hoffer