Michael Baumgartner: Persona
Zeitgenössische Kunst Ausstellung
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Persona kommt vom lateinischen per-sonare, durchtönen und bezeichnet eine Theatermaske im kultischen Theater. Diese ursprünglich griechischen Masken besitzen eine trichterförmige Mundöffnung, durch die gesprochen wird, daher personare.
Das Gesicht, lateinisch facies, so meine Behauptung, ist immer eine Maske.
So etwas wie das wahre Gesicht gibt es nicht. Immer spielen wir eine Rolle. Das Antlitz ist für uns Menschen wohl die interessanteste Oberfläche auf der Welt und stellt in der nonverbalen Kommunikation der Primaten sicher den wichtigsten Teil dar. Alle Emotionen werden vor allem durch das Gesicht ausgedrückt, sind in ihm zu lesen. Wir sind von Kleinkindesalter an geschult darin zu lesen.
Sehr schnell ziehe ich mit dem Pinsel ein Oval, setze mit hingeworfenen Tupfern Augen, Brauen und Nasenlöcher. Am schwierigsten ist der Mund, dabei kann am meisten schief gehen. Unglaublich, wieviel der Bruchteil eines Millimeters in den Mundwinkeln auf oder ab ausmacht. Diese Gesichter sind keine Portraits. Wie ein Gesicht am Ende aussieht, entwickelt sich im Prozess und ist nur begrenzt steuerbar. Ich versuche es zu lernen.
Der Blickwinkel auf die Gesichter wird nie verändert. Alle sind mehr oder weniger gleich und doch so verschieden. Stilisierte, stereotype Striche für Haare, männliche oder weibliche Frisur, entscheiden ob ein Mann oder eine Frau zu erkennen ist. Oft bleibt das auch unentschieden.
Die Anmutung dieser Gesichter, Personae, ist asiatisch, japanisch und das kommt nicht von ungefähr: Meine Tochter hat mir vor 2 Jahren zu Weihnachten ein japanisches Tuschmalerei Set geschenkt, mit Sumi-e Pinseln, Reibetusche und Sumipapier. Erst wußte ich nicht, was damit tun. Bald war ich bei Gesichtern und habe immer weiter gemacht. Diese Art der meditativen Wiederholung ist etwas spezifisch asiatisches, etwas, dem auch ich viel abgewinnen kann. In frühen Copy Art Versuchen habe ich mich schon darin geübt.
Auch in meinen partizipativen, performativen Spiegelskulpturen interessieren mich Gesichter, Blicke, das einander Wahrnehmen, einander Erkennen. Das Dialogische ist eine Grundkonstante in meinem Werk, das Gegenüber-Sein einer Person ist immer da.
Die Arbeit an diesen Personae sehe ich als meditative Übung. Ich habe in 2 Jahren mehr als 5000 von diesen Arbeiten gemacht und sehe ihre Herstellung immer noch als Übung. Laut Richard Sennet muss man sich 10 000 Stunden mit etwas beschäftigen, etwas tun, bis man es beherrscht. Aber darum geht es gar nicht. Es geht um Leichtigkeit, vielleicht um Eleganz, im schnellen Hinwerfen. Es bleibt ein Üben. Ich will nichts, jedenfalls nicht Meisterschaft. Dennoch bin ich sehr streng im Auswählen der Gesichter, die ich zeige. Es sind immer nur um die hundert Blätter. Dabei suche ich Unterschiede. Ich möchte ein breites Spektrum an Charakteren vorstellen. Es ist bisher vielleicht nur eine Handvoll wirklich berührender Zeichnungen entstanden. Und es ist immer der Zauber des Moments, wenn eine dieser besonderen, guten Arbeit entsteht, der mich antreibt weiter zu machen. Zen oder die Kunst des Gesichterzeichnens.
Text: Michael Baumgartner