Heti Prack: ehrenamt
Zeitgenössische Kunst Ausstellung
Verbindung zu esel.at
Heti PRACKs Arbeit wählt ihren ästhetischen Ausgangspunkt in den Architekturelementen der Wiener Paläste der Arbeiterbewegung. Die Abkehr von gründerzeitlicher Fassadenarchitektur, der Ausdruck fortschrittlicher Zweckmäßigkeit und Funktionalität prägen das Erscheinungsbild. PRACKs Zugang führt ihn über die Herstellungsweisen und Materialitäten zu den Hintergründen und Rahmenbedingungen des Alltagslebens – zu queeren Leidenschaften und Limitierungen. Die Versprechungen der republikanischen Moderne des Roten Wien ließen die Hoffnung auf ein erfülltes Leben und befriedigte Bedürfnisse wachsen und boten dazu eine scheinbar rationale Ordnung, die gleichzeitig für jene, die nicht in das teils rigide soziale Raster passten, zu Einengung führte. Das Raster, als Ornament der Arbeiterklasse schlechthin, ist eine Struktur, die gleichzeitig Neuheit und Aufbruch versprach, wie sie für Einengung und Wiederholung stand.
Die Installation „Ehrenamt“ verhandelt aus queerer Perspektive Fragen von Ehre und Würde, dem Unterlaufen von oppressiven Moralvorstellungen und dem selbstbewussten Bezug auf queere Lebenspraxis, die auch das Schlampentum beim Klappensex beinhalten will. Die Skulptur „Schalter Eins“ verweist auf die amtliche Ordnung eines (nicht nur historischen) Lebens, das auch an den privatesten Momenten stets und immer wieder kontrolliert und genormt wird und gegebenenfalls auch von Ausmerze betroffen ist. Das Loch des Schalters, zur Kommunikation mit den Amtsorganen gedacht, zitiert hier aber auch das Gloryhole als Durchreiche von Lust und physischer Kommunikation, deren Handlungen zwischen völliger Hingabe und vollkommener Anonymität oszillieren. Wobei die Anonymität gerade für queere Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit Lustgewinn ebenso assoziiert werden kann wie mit dem erzwungenen Abtauchen vor einer verfolgenden und vernichtenden gesellschaftlichen Macht.
Die Schalterwand mit Sprechloch doppelt jedoch nicht lediglich als Klokabine mit Gloryhole, sondern lässt auch Assoziationen zum Flügelaltar und zum Beichtstuhl zu. Auch dort bildet das Raumsetting einer teils durchlässigen Trennwand den Rahmen für eine (teil)anonyme zwischenmenschliche Transaktion, bei der es letztlich um die Gewährung von Erleichterung geht. “Ehrenamt“ zeigt ein abstrahiertes Setting, innerhalb dessen die menschliche Existenz und die queere Körperlichkeit auf den obrigkeitsseitigen Versuch, diese zu kontrollieren und auszulöschen, treffen. Seine Auseinandersetzung endet jedoch nicht bei den Rahmenbedingungen: die drei Reliefs („Beamtloch“, „Primitive Technologie“ und „Ich wurde gemacht um dich zu lieben“) erzählen Szenen unmittelbarer queerer Körperlichkeit und queeren Lebens. Die eng gesetzten Bildausschnitte der hier dargestellten Szenen verweisen auch auf die gegenwärtige queere Lebenspraxis, die sich anteilig in den algorithmusgeprägten digitalen Raum verlagert. Eine der Szenen („primitive Technologie“) ist dabei eine unmittelbare historische Erzählung von der „Ermittlungsarbeit“ eines nationalsozialistischen Polizisten, der zahlreiche schwule Männer in öffentlichen Klos und Bädern überführte, indem er sich beim Cruising unter sie mischte. Heti PRACKs Arbeiten sind nicht auf eine historische Dimension beschränkt, sondern erzählen auch von einer unmittelbaren Gegenwart, in der sich Minderheiten und marginalisierte Gruppen zunehmendem gesellschaftlichen und politischen Druck ausgesetzt sehen. Die Härte und Kälte der Installation tritt jedoch gleichzeitig mit einem queeren Selbstverständnis auf, das sich als Keil versteht, der auch rigide gesellschaftliche Systeme offenhält und gekommen ist, um zu bleiben.
(Text: Niko Wahl, 2025)