Raphaela Riepl

Verbindung zu esel.at
featuring Janne Schipper
Eröffnung:
Donnerstag, 16. Oktober 2025 – 19 Uhr
Zur Eröffnung spricht Andrea Kopranovic.
Licht ist impulsive Energie: trifft es auf Materie, kommt es zur Absorption, Brechung, Reflexion, Verlangsamung oder Zerstreuung seiner unzähligen Photonen. Photonen werden im Dazwischen geboren – gezeugt durch Zustandsveränderungen von Elektronen springen sie aus dem metaphorischen Quantenei. Sie haben keine eigenständige Masse, aber ihr Drehimpuls macht sie zu dynamischen Ausgleichsteilchen. Für Raphaela Riepl wird der Tanz der Photonen als Alphabet lesbar. Mit ihnen wird Licht zur Sprache, die den atmosphärischen Qualitäten von Raum und Zeit durch rhythmische Repetitionen ihrer immateriellen Bewegung Ausdruck verleiht. Anstelle einer starren, allumfassenden Gewissheit setzen uns die Lichtinstallationen Riepls offenen, fragmentierten Wahrscheinlichkeit aus, deren individuelle Wahrnehmbarkeit uns Betrachter*innen obliegt. Spannungsmomente und Perspektivenwechsel durchziehen diese betrachtungsabhängigen Realitätsbilder, die letztlich in der Intensität eines Wendepunktes kulminieren – Peripetie.
Peripetie (griech. Peripetia, Περιπέτεια) meint eine menschengemachte Wendung im antiken Drama, deren Manifestation nicht spirituell, sondern materiell erscheint. Das plötzliche Umschlagen des Schicksals ist der Höhepunkt der Erzählung und von leuchtender Kontingenz: Katastrophe und Katharsis sind zu diesem Zeitpunkt zwei Seiten derselben Münze. Riepl lässt beide Möglichkeiten zu, indem sie den Moment ihres Entstehens in Zeit und Raum ausdehnt. Zeit lässt sich messen: Es können Sekunden sein, in denen Betrachter*innen sich Urban Light Radiation (alle Arbeiten 2025) umschreitend annähern, oder Minuten, die sie mit dem Durchschreiten von Rural Light Radiation verbringen. Es kann aber auch eine Begegnung mit Research, to be continued always sein, deren farbliche Demarkierungen uns permanent aus dem dunkelen Seidenhintergrund entgegenstrahlen und sinnbildlich auf Licht aus der Dunkelheit verweisen. Die Zeit der Betrachtung und des Nachwirkens der Arbeiten wird erst im definierten Raum erfahrbar gemacht: Die Künstlerin schafft Bewegungschoreografien und -Chronologien um und in ihren Installationen. Während die gekrümmten Leuchtkörper in Urban Light Radiation durch vielteilige Gl
Die unterschiedlichen Gekrümmtheiten in den beiden Werkkomplexen können als Anspielung auf die Allgemeine Relativitätstheorie verstanden werden, in deren Wechselwirkung von Raum, Zeit und Materie Raumzeitkrümmungen verortet werden. Die Minigravitationsfelder der Betrachter*innen selbst verwandeln sich in ein Äquivalent zu den ansonsten massiven Gravitationsfeldern, die für das Auslösen einer Raumzeitkrümmung nötig sind. Die Rolle der Betrachter*innen im Sprachsystem Riepls wird somit zentral, denn erst sie sind es, die das diffuse Leuchten zu einem kohärenten System zusammenfügen. Bei allen Artikulationen der Sprache des Lichts leuchten jedoch nicht die Materialien, sondern es ist das nichtmaterielle Dazwischen, das illuminiert wird. Die Peripetie liegt in der Interaktion mit den Dingen im vorgefundenen Moment, am vorgefundenen Ort. Letztlich ist die Wahrnehmbarkeit des Nicht-Sichtbaren die entscheidende Klimax und Anliegen der künstlerischen Strategie.
Text: Andrea Kopranovic, 2025